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Yogageschichte – alte Tradition oder globale Innovation?

 

Yogageschichte – alte Tradition oder globale Innovation?

Zur Yogageschichte oder auch Yoga – Geschichte:
Warum ist ein System, das mindestens weit über 2500 Jahre alt ist, heute beliebter und lebendiger als je zuvor?
Ein neues Kapitel in der Geschichte des Yoga begann in den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts mit der Arbeit von
Sri T. Krishnamacharya in Mysore. Aus dem Kontakt zwischen traditionellem Wissen und damals modernen sportlichen Übungen entstand eine neue Asana – Praxis. Seit den 30er Jahren nahm der Yoga auch im Westen an Bekanntheit zu. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Yoga in der westlichen Welt immer bekannter.
Seit den 80er Jahren kam es ausgehend von den USA zu einem inflationären Anstieg verschiedener Yogastile, die ihre eigenen Markennamen tragen und in zahlreiche Länder exportiert wurden. Seit den 90er Jahren nahmen auch die Ostblockstaaten den Yoga auf. Yoga wurde zu einer globalen Erscheinung mit ständigen Innovationen, die von lustig („Lachyoga“) bis absurd („Bieryoga“) anmuten. Doch was hat Tradition im Yoga, wenn nicht der ständige Wandel?1

Die ältesten Spuren des Yoga . . .

Die ältesten Spuren des Yoga liegen möglicherweise in den Trümmern der Industalkultur begraben. Die antiken Städte Mehrgarh, Harappa und Mohenjo-Daro befanden sich in Gebieten, die heute zu Nordwest Indien und Pakistan gehören. Nur ein Teil der Orte wurde systematisch archäologisch erforscht. Dies brachte Keramiken aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. zutage. Weitere Funde deuten darauf hin, dass zischen ca.2.800 bis 1800 v. Chr. sich hier eine Hochkultur mit Stadtplanung, Bautechnik, Schrift, Kanalisierung, Schmuckherstellung und friedlichem Miteinander entwickelt hatte. Es gibt Hinweise auf eine Bevölkerung mit Wertschätzung des Weiblichen und der Verehrung von Muttergottheiten. Außerdem gab es wenig Hierarchie in der Gesellschaft. Diese Kultur verschwand nach und nach. Bisher konnte nicht sicher geklärt werden ob dies durch klimatische Veränderungen, Mangel an Rohstoffen, gesellschaftliche Veränderungen oder Krieg geschah.

Die Aryas und Yoga

Ungefähr um 1.500 v. Chr. kam es zur Einwanderung der Aryas aus Zentralasien. Es wird immer wieder vermutet, dass diese nomadischen Völker eine patriarchalisch organisierte Gesellschaftsstruktur und eigene religiöse Überlieferungen mitbrachten. Dies fanden zunächst mündlich, später schriftlich in den Veden ihren Ausdruck. Hinweise auf diese gravierenden kulturellen Umwälzungen finden sich auch im Rigveda.

Siegel und Skulpturen aus der Industalkultur zeigen Sitzhaltungen und Körperhaltungen, die oft als Asanas gedeutet werden. Gab es damals, vor mehr als 4000 Jahren die ersten Yogis?

Oder waren die ersten Yogis Geflüchtete, die vor den aus dem Norden eingedrungenen Völkern und ihrer Gesellschaftsordnung flohen? Wanderten sie als besitzlose Asketen und Sadhus durch das Land oder fanden sie sich zu neuen Gemeinschaften zusammen? Von ihnen berichtet der Atharvaveda.

Wer auch immer die ersten waren, in dieser Zeit in der sich neue äußere Machtstrukturen entwickelten, begaben sich einige Menschen auf den Weg nach innen. Dabei entdeckten, erforschten und eroberten sie die innere Welt. Die Kraft, die aus der Selbst-Erkenntnis und Selbst-Beherrschung entsteht. Außerdem ging es um inneren Frieden, der im Einklang mit allem was ist seinen Ursprung hat. Es entstand der Vedanta, das „Ende der Veden“. Außerdem wurden die Erkenntnisse in den Upanishaden festgehalten. Diese Geheimlehre beinhaltete also zunächst geheimgehaltene Überlieferungen der inneren Erfahrungen vorgenannter Menschen.
In diesen wohl zwischen 800 bis 200 v.Chr. entstandenen Schriften wird Yoga als Begriff genannt2.

Schriften zur Yoga-geschichte

Eine der auch heute noch wichtigsten Schriften des Yoga, das Yoga Sutra des Patanjali spiegelt den Geist der Entwicklung bis kurz vor oder nach unserer Zeitrechnung. Wenngleich sich die Forschergeister auch hier streiten.
Wie funktioniert der menschliche Geist (citta) – die Instanz in uns, die urteilt, eine Meinung bildet, sich auf Erinnerungen stützt, die Gedanken Karussel fahren lässt? Wie können wir den Geist dazu nutzen, Leiden zu überwinden, statt Leiden zu schaffen? Ziel des Yoga ist es, die Aktivitäten des Geistes vollständig zur Ruhe kommen zu lassen, so dass reine Wahrnehmung dessen, was ist, möglich wird. Praktische Methoden um das zu erreichen werden beschrieben. Es sind insgesamt acht Elemente, die diesen Weg ausmachen. Dazu gehören Ethik (yama und niyama), Körperhaltung (Asana), Techniken der Atmung (Pranayama), nach innen ziehen der Sinneswahrnehmung (pratyahara), Konzentration (dharana), Meditation (dhyana) und vollkommene Erkenntnis (samadhi). Falls wir uns dieser Elemente bedienen, soll ein Zustand innerer Freiheit, unabhängig von äußeren Einflüssen, erreicht & erhalten werden.
Das aus nur 195 Versen bestehende Yoga Sutra wurde vielfach übersetzt. Folglich entstanden unterschiedliche Interpretationen seiner Aussagen. Die eine Auslegungsweise befürwortet eine weltabgewandte und Sinnesfreuden ablehnenden Askese, um einen Zustand des inneren Gleichmuts aufrecht zu erhalten. Dahingegen stellt eine andere Auslegung die Befreiung von einschränkenden Konditionierungen, Angst und Erfolgsdruck in den Vordergrund. Doch welche Auslegung zur Zeit seiner Entstehung vorherrschte, ist nicht überliefert.

Yogageschichte & Schriften im Mittelalter

Der nächste Meilenstein der Überlieferung des Yoga findet sich in mittelalterlichen Schriften. Hierzu gehört auch die Hatha Yoga Pradipika. Sie dürfte die bekannteste Yoga Schrift des Mittelalters sein. Allerdings liegen die Wurzeln der Hatha Yoga Pradipika im Tantra. Circa 500 n.Chr. begannen sich in Indien verschiedene Strömungen des Tantra. auszubreiten. Zeitgleich entstand die Yogatradition des Hatha Yoga.

Yoga und Tantra

Die Ursprünge des Tantra gehen möglicherweise noch viel weiter zurück und liegen möglicherweise ebenfalls wie die Wurzeln des Yoga in der Induskultur (ca. 2800 – 1800 v. Chr.), und zwar vor der vedischen Kultur.

Zu den Strömungen des Tantra gehören sowohl buddhistische Tantras als auch hinduistische Tantras. Die hinduistischen Tantras haben einen Bezug zur Samkhya Philosophie und zu den Upanishaden. Tantra entwickelte sich besonders in Tibet, Kaschmir, Assam & Südindien. Genauso wie in vielen anderen Systemen ist das Ziel des Tantra die individuelle Befreiung. Im Unterschied zu anderen Traditionen wird dabei nicht auf Askese und Ablehnung des Körperlichen gesetzt. Polaritäten wie Askese und Genuss, männlich und weiblich, Körper und Geist gehören als Teile der Einheit zueinander. Wie die zwei Seiten einer Münze. Allerdings bedarf es Kraft und Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, diese Gegensätze mit ausgeglichenem Gemüt zu handhaben und dabei fokussiert zu bleiben.

Im Tantra gilt der Körper nicht als Hindernis auf dem Weg zur Befreiung, sondern als integraler Teil des Ganzen. Der Körper ist sowohl der Tempel der Seele, als auch der Raum der Erfahrung, als auch der Ort der Erkenntnis. Sinneserfahrung und Sinnesgenuss (bhoga) sind Mittel und nicht Hindernis zur Befreiung. Tantra stellte nicht nur vorherrschende religiöse Konzepte und Werte in Frage, sondern auch die sozialen Hierarchien. Folglich spielten Kasten, soziale Schicht, ethnische Herkunft und Geschlecht keine Rolle.
Dementsprechend erfuhren auch das Weibliche und die Göttinnen erneute Wertschätzung.

Im Tantra entwickelten sich dann sehr unterschiedliche Traditionslinien. Alle verbindet jedoch die Grundidee, dass die Welt, so wie sie ist akzeptiert wird und als Grundlage für das Leben und die Befreiung dient. Das Heilige und das Weltliche sind untrennbar miteinander verbunden. Dementsprechend lautet eine Wortbedeutung von Tantra „Gewebe“.

Die Hatha Yoga Pradipika

Diese Grundidee prägt auch den Hatha Yoga. Das Grundlagenwerk des Hatha Yoga, die Hatha-Yoga-Pradipika wurde im 14. Jh. unter dem Namen Svatmarama bekannt. In diesem Text werden auch Aussagen älterer Texte verwendet und zusammengetragen.

In der Hatha-Yoga-Pradipika werden die Grundlagen für das Üben des Yoga, ethische Regeln, Asanas (Körperhaltungen), Pranayama (Übungen mit der Atmung), Mudras (Gesten, „Siegel“), Bandhas (Übungen mit gezielter Muskelanspannung), Meditation mit dem inneren Klang, Reinigungstechniken (Kriyas), Erreichen von Samadhi, Befreiung und Unsterblichkeit thematisiert.

Interessant für unser Thema ist hier, dass die Reinigungstechniken (Kriyas) teilweise an Techniken denken lassen, die im Ayurveda im Panchakarma verwendet werden.

Wer beschäftigte sich mit Yoga?

Über viele Jahrhunderte scheint der Yoga keine Mainstreambewegung gewesen zu sein. Es waren wohl eher Einzelne, Aussteiger, Einzelgänger, überwiegend Männer, die sich in der Abgeschiedenheit der Natur oder eines Ashrams oder als umherziehende Asketen dem Yoga widmeten. In der Öffentlichkeit traten viele von ihnen als Fakire oder Magier in Erscheinung. Diese Bilder vom Yoga prägten auch die Berichte der Europäer, die im 18. Und 19. Jahrhundert als Kaufleute, Missionare, Kolonisatoren nach Indien kamen.

Yogageschichte im 20. Jahrhundert

Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Renaissance des Yoga in Indien. Im Zuge der Unabhängigkeitsbewegung kam es allgemein zu einer Rückbesinnung auf die eigene Tradition und Kultur. Gleichzeitig gab es jedoch auch neue Bedürfnisse und Entwicklungen einer sich verändernden indischen Gesellschaft in der Konfrontation mit dem Westen. Dieses ging vor auch mit der Öffnung des Yoga für Menschen, die im Berufs- und Familienleben stehen einher. Auch Einflüsse aus einer sich entwickelnden Fitnesskultur wurden aufgegriffen. Sri T. Krishnamacharya, der als „Vater des modernen Yoga“ gilt, schuf eine körperlich intensive Übungsweise. Seine Schüler waren anfangs junge Männer am Hof des Rajas von Mysore. Später wandte er sich stärker der Einzelarbeit und dem therpeutischen Yoga zu.
Seine Schüler B.K.S. Iyengar, Pattabhi Jois, Indra Devi, T.K.V. Desikachar und viele andere entwickelten eigene Richtungen im Yoga und trugen zur Verbreitung und Popularität des Yoga in der ganzen Welt bei.

Yoga als Weg

Schlussfolgernd kann gesagt werden, dass Innovation in der gesamten Geschichte des Yoga einen wichtigen Part darstellt. Die Anpassung an Bedürfnisse und Lebensbedingungen der Menschen heute hält die Yogatradition lebendig und trägt zur Verbreitung bei. Dass diese Entwicklung auch Schattenseiten hat, wie Kommerzialisierung, Verletzungsgefahr durch falsch ausgeführte Asanas und Absurditäten, ist nicht verwunderlich. Gleichzeitig gibt es jedoch ernsthaft Suchende, für die Yoga eine neue Perspektive eröffnet. Ferner eröffnet Yoga gute Chancen in sozialen Projekten Veränderungen zu ermöglichen.

Die Vielfalt im Yoga gibt auch die Möglichkeit, die Richtung zu finden die den eigenen Bedürfnissen entgegenkommt.

Probieren Sie es aus! Yoga ist Erfahrungs – & Erlebenssache.

 

Literatur:

s.a. den Artikel von Meera Nanda http://www.openthemagazine.com/article/living/not-as-old-as-you-think

1 pariṇāma: EvolutionEntwicklungWandelUmwandlungVeränderung, oder parinamavada: Veränderung als Teil des Lebens

2 Taittiriya Upanishad, Kap. 2 Katha Upanishad (500 v.Chr.): Yoga als Zustand der Beherrschung der Sinne, Shvetashvatara (300 v.Chr.): Praxis des Yoga, Maitrayaniya (2. Jh. v. Chr.): sechsstufiger Yogaweg „ Durch die Übungen des Yoga wird man zufrieden, man überwindet alle Gegensätze und erlangt inneren Frieden.“

 

Hier gehts zur Yoga Ausbildung mit Dr. med. Wiebke Mohme.

 

Dr. Mohme, die Ausbildungsleiterin der Yogalehrerinnenausbildung
Wiebke.Mohme

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